Andreas Förster
Verräter?
Wie sich Stasi-General Horst Männchen dem Verfassungsschutz anbot
“Verräter“, sagt Horst Männichen und schaut in die Kamera, “Verräter wurden von allen verurteilt. Die interne Meinung war: So was gehört erschossen.”
Die Szene stammt aus dem 2003 produzierten Dokumentarfilm “Alltag einer Behörde“, in der sich Stasi-Generäle in entlarvenden Monologen an die gute alte Zeit im DDR-Geheimdienst erinnern. Auch Horst Männchen, der am 12. Januar 2008 im Alter von 72 Jahren gestorben ist, war in dem Film zu einem Selbstzeugnis vor der Kamera bereit. Eine kleine Sensation, denn der einstige Chef der für Telefonüberwachung und funkelektronische Aufklärung zuständigen Hauptabteilung III war zuvor jahrelang jedem Mikrofon und jeder Kamera konsequent aus dem Weg gegangen. ( Es war also nur Frage der Summe !?)
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Operativ Vorgang “Merkur” – Adam Lauks alias Objekt “Merkur “ – hier ist das Tatfahrzeug zu sehen, das trotz des Wirtschaftsschadens von 3,9 Mio M DDR nach meiner Verhaftung NICHT beschlagnahmt wurde, sondern von meiner Ex, Markus Wolfs und Werner Großmann´s “JULIA” nach Ljubljana ausgeführt werden durfte. Die besch-lagnahmten Kauf-Verkaufverträge hollte sie dann am 29.11.1982 von den Genossen aus der Zollfahndung ab, durch Staatsanwältin Rosenbaum ausgehändigt.
Der 1935 in Berggießhübel bei Pirna geborene General mit der Handprothese – Folge eines angeblich unter Alkoholeinfluss verursachten Autounfalls – hatte sich nach dem Ende von Stasi und SED schnell zurückgezogen. Auch seine einstigen Kampfgenossen aus dem Stasi-Kollegium mieden viele Jahre lang den General, der zu den dienstältesten Hauptabteilungsleitern im MfS-Apparat gehörte. Ein Verräter war er in ihren Augen. Männchen hatte sich unmittelbar nach der Wende dem einstigen Hauptfeind, dem westdeutschen Verfassungsschutz, umfassend offenbart und dabei auch Quellen enttarnt. Beim Bundeskriminalamt und bei der Bundesanwaltschaft hielt der General mit seinem Insiderwissen über die Stasi ebenfalls nicht hinter dem Berg. Doch nicht nur das: Beim Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) heuerte der 1935 geborene Männchen auf seine alten Tage gar noch als V-Mann an und ließ sich auftragsgemäß vom KGB umwerben.
Die weitgehend unbekannte Nach-Wende-Kooperation Männchens mit den Behörden des einstigen “Feindstaates BRD” lässt sich an Hand von Vernehmungsprotokollen und Niederschriften, die der Ex-Stasi-General für den Verfassungsschutz fertigte, nachvollziehen. Die Unterlagen liegen “Horch und Guck” vor.
Für die bundesdeutschen Sicherheitsbehörden war Horst Männchen, einer der zentralen Führungsgestalten des DDR-Geheimdienstes, ein fetter Fang. Seit 1971 ist er Chef der Hauptabteilung III gewesen, die im MfS für Funkabwehr und funkelektronische Aufklärung zuständig war. Die zuletzt knapp zweieinhalbtausend Mitarbeiter des Abhörapparates organisierten dabei nicht nur die Überwachung von DDR-Telefonverbindungen, sondern horchten vor allem auch den Kommunikationsverkehr der Bundesregierung und wichtiger Westbehörden ab. Auch insgesamt 25 000 Telefonanschlüsse von Politikern, Managern und führenden Geheimdienstbeamten wurden überwacht. Darüber hinaus war es Männchens Spezialisten gelungen, in besonders geschützte Computerdatenbanken des Westens einzudringen. *******
In Bonn herrschte in der Wendezeit, als das Bürgerkomitee zunächst die Oberhand über das Stasi-Aktenarchiv erlangte, eine wachsende Unsicherheit über den möglichen politischen Sprengstoff, der sich in den Unterlagen verbergen könnte. Entsprechende Informationen hatten die westdeutschen Geheimdienste von hochrangigen Stasi-Offizieren erhalten.
BND und Verfassungsschutz warben daraufhin gezielt Mitarbeiter der Hauptabteilung III an. Die Stasi-Überläufer von der Lauscherfront ließen sich ihr Insiderwissen und die mitgebrachten Dokumente und Lauschprotokolle fürstlich bezahlen: Ralph Dieter Sch. etwa – Deckname beim Bundesamt für Verfassungsschutz: “Trosse” – kassierte 100 000 Mark; seinen Ex-Kollegen Michael M. alias “Wimpel” und Hans-Joachim L. alias “Haus” wurde die gleiche Summe vom Verfassungsschutz offeriert.
Um Horst Männchen kümmerte sich ein Politiker: Eckart Werthebach, der Ende Mai 1990 vom Bonner Bundesinnenministerium als “Sicherheitsberater” dem DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel zur Seite gestellt worden war. Der Auftrag des CDU-Politikers lautete, die Vorstellungen der Bundesregierung für ein noch zu erarbeitendes Stasi-Unterlagengesetz durchzusetzen. In diesem Zusammenhang beantragte er im Sommer 1990 auf einer Sitzung der DDR-Regierungskommission zur Stasi-Auflösung, an der Werthebach als Beobachter teilnehmen durfte, dass alle MfS-Akten über Bundesbürger sofort zu vernichten oder sie zur alsbaldigen Vernichtung an Bonner Behörden zu übergeben seien. Auf einer weiteren Sitzung der Regierungskommission am 2. August 1990 erneuerte Werthebach diese Forderung und begründete sie laut Sitzungsprotokoll damit, dass die Akten “rechts- und menschenrechtswidrig erarbeitet worden sind und daher zu vernichten seien, um betroffene Bundesbürger von dieser Last zu befreien“.
Neben diesen offiziellen Bemühungen suchte Werthebach natürlich auch den inoffiziellen Weg, um mit der Stasi-Generalität Möglichkeiten einer kontrollierten Übergabe des DDR-Geheimdienstwissens über Bonner Politiker und Parteien auszuloten. Zu seinen Gesprächspartnern gehörten neben Horst Männchen der letzte Chef der Stasi-Hauptabteilung XIX, Generalmajor Edgar Braun – faktisch Werthebachs V-Mann im Stasi-Auflösungskomitee –, Günter Möller, einst Kaderchef der Stasi, und Gerhard Niebling, letzter Leiter der Zentralen Koordinierungsgruppe. Möller und Niebling beschworen in Werthebachs Auftrag in persönlichen Briefen eine Reihe ihrer Ex-Kollegen, sich mit ihrem Wissen nicht an die Massenmedien zu wenden, sondern den “geordneten, stillen Weg” zu gehen und sich “den Gesprächen mit Vertretern der Abwehrorgane des Landes” nicht zu verschließen.
Auf einen solchen “geordneten, stillen Weg” hatte sich Horst Männchen aber bereits begeben, lange bevor Diestel Innenminister wurde und Werthebach versuchte, Stasi-Akten in den Westen zu schaffen. “Die Struktur der HA III mit den entsprechenden Abteilungsleitern habe ich Anfang 1990 detailliert dem BfV dargelegt”, sagte der Stasi-General a.D. am 13. November 1991 bei seiner Vernehmung durch Beamte des Bundeskriminalamtes aus.
Doch nicht nur über den Aufbau der Hauptabteilung III setzte er den Verfassungsschutz in Kenntnis. So rühmte er sich vor der Bundesanwaltschaft auch, dem Verfassungsschutz Angaben über Quellen der HVA und enttarnte Doppelagenten gemacht zu haben. “Zu dieser Frage habe ich gegenüber Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz mein Wissen umfassend dargelegt”, sagte Männchen. Zwar habe er nie Klarnamen erfahren; er konnte dem Kölner Bundesamt aber wichtige Details nennen, die eine Identifizierung einzelner Quellen erleichterten.
Der Bundesanwaltschaft gegenüber offenbarte Männchen sein Wissen über einen der bedeutendsten Embargohändler der Stasi: Edwin Bollier, ein Schweizer Elektronikhändler, der unter dem Decknamen “Rubin” seit Ende der sechziger Jahre hochwertige elektronische Geräte und westliche Chiffriertechnik für die Stasi beschaffte. Bolliers Bedeutung als eine der absoluten Topquellen der Stasi wird dadurch unterstrichen, dass Männchen als Hauptabteilungsleiter den IM “Rubin” zeitweise persönlich führte. Männchen trat dabei Bollier gegenüber unter dem Decknamen Steinberg auf.
In seinen Vernehmungen belastete Männchen Bollier schwer und gab detaillierte Auskunft darüber, was für Geräte der Schweizer auf welchem Weg in die DDR geschmuggelt hatte. So habe er beispielsweise modernste Lügendetektoren, diverse Schaltelemente, Videoaufzeichnungsgeräte sowie zwei Chiffriergeräte der Schweizer Krypto AG beschafft, einer Tarnfirma des Bundesnachrichtendienstes. Eins dieser Geräte sei 1985 auch an die Sowjets übergeben worden, so Männchen in seiner Vernehmung. Außerdem habe Bollier auch ein Datenfunkterminal der Firma Motorola in die DDR geschleust, mit dessen Hilfe in die Datenbanken westdeutscher Geheimdienste und Sicherheitsbehörden eingedrungen werden sollte.
Für Schlagzeilen sorgte die Jahre nach Männchens Vernehmung bekannt gewordene Lieferung eines Zeitschaltgeräts durch Bollier an die Stasi. Eine Platine dieses von Bolliers Firma Mebo AG hergestellten Geräts war angeblich in den Trümmern der im Dezember 1988 über dem schottischen Lockerbie abgestürzten PanAm-Jumbos gefunden worden. Hatte die Stasi das von Bollier beschaffte Gerät an libysche Terroristen weitergegeben, die es für den Bau der Bombe benutzten, die den Jumbo zerfetzte? Der Verdacht wurde erst im vergangenen Jahr ausgeräumt, nachdem ein früherer Mebo-Mitarbeiter ein Geständnis ablegte: Die angeblich in den Flugzeugtrümmern gefundene Zeitschaltuhr habe er erst am 22. Juni 1989, also ein halbes Jahr nach dem Anschlag, “in unerlaubter Weise an eine offizielle Ermittlungs-Person im Lockerbie-Fall” übergeben, sagte der Mann aus.
Neben seinen umfassenden Auskünften über Arbeitsweise, Ergebnisse und Quellen seiner Lauschabteilung III verfasste Horst Männchen unter anderem auch thematische Ausarbeitungen. Eine davon befasste sich mit der”möglichen zukünftigen Bedrohung durch eine generische Fernmeldeaufklärung” einschließlich konkreter “Maßnahmen-Vorschläge”. Gutachten wie dieses knapp 45 Seiten umfassende Papier werden von Geheimdiensten gern bei Überläufern in Auftrag gegeben, um einen Vorwand für Honorarabrechnungen zu schaffen, die staatlichen und parlamentarischen Finanzkontrollen standzuhalten vermag.
Das BfV jedenfalls zeigte sich angetan von der Anfang 1991 durch Männchen erarbeiteten “wertvollen Darstellung”. So heißt es in einem der Studie beigelegten Schreiben an den Generalbundesanwalt: “Die Ausarbeitung des früheren Leiters der Hauptabteilung III zeigten die Bereitschaft, mit dem BfV zusammenzuarbeiten. Hier wird derzeit davon ausgegangen, dass bei geplanten zukünftigen Kontakten mit Dr. Männchen weitere wertvolle Informationen – nicht nur zum Komplex Fernmeldeaufklärung/Funkabwehr – erlangt werden können.”
Die Ausarbeitung zeigt auf verblüffende Weise, wie schnell sich der wendige Stasi-General Männchen den Anforderungen seines neuen Auftraggebers vom Bundesamt für Verfassungsschutz anzupassen verstand. Selbst das Feindbild der neuen Kollegen aus Köln wurde von ihm mühelos übernommen: “Schätzt man eine mögliche Bedrohung durch die UdSSR ein, so ist davon auszugehen, dass die UdSSR ein von Kommunisten beherrschtes Land ist, in dem der Kampf gegen den Kapitalismus das Maß aller Dinge darstellt und Staatsdoktrin ist und mit dem Ziel geführt wird, die Ausbeuterherrschaft zu beseitigen“, schreibt Männchen 1991. “Auf jeden Fall” müsse man damit rechnen, dass die neue Führung der UdSSR “mit kommunistischer Grundhaltung und mit einem klaren, vom Volk akzeptierten Feindbild auftreten (werde), das westwärts gerichtet ist”. Eindringlich warnt der Ex-General zudem vor einer “neuen Front” aus Russland und den ehemaligen deutschen Kriegsgegner Polen und Tschechien. Alle drei Länder teilten nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten “trotz einer demokratischen Entwicklung […] die Angst vor einem ökonomisch und militärisch starken Deutschland”.
Männchen hat ganz konkrete Vorstellungen, wie seinen einstigen Verbündeten im sozialistischen Friedenskampf, die für ihn plötzlich zu potenziellen Aggressoren mutiert sind, zu Leibe gerückt werden kann. So schlägt er unter anderem vor, die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR noch vorhandenen sowjetischen Militärobjekte gezielt zu überwachen sowie mögliche Neubauten von östlichen Abhörobjekten in Polen und Tschechien aufzuklären. “Notwendig und zweckmäßig” sei es auch, etwa beim BfV eine kleine Gruppe von Spezialisten anzusiedeln, die die “Elektronische Kampfführung”, kurz ELOKA, gegen finstere Bedrohung aus dem Osten koordiniert und steuert. Denkbar sei aber auch, “ein eng mit der entsprechenden staatlichen Stelle verbundenes, privatwirtschaftliches Unternehmen im Sinne eines ‚elektronischen Sicherheitsberaters’ zu schaffen, dort die erforderlichen Spezialisten zu installieren und die notwendigen Aufgaben zu lösen”, schreibt Männchen.
Woher die qualifizierten und spezialisierten Fachkräfte für die ELOKA kommen sollen, erklärt Männchen natürlich auch – aus dem Heer der entlassenen Stasi-Mitarbeiter. Die Mehrheit des ehemaligen Personals der Haupabteilung III und der anderen MfS-Struktureinheiten habe “den festen Willen, sich loyal zum neuen Deutschland zu verhalten und mit ihrer Vergangenheit zu brechen”, schreibt Männchen. Diese Mehrheit wünsche sich “normale” Arbeit und soziale Sicherheit. Die gegenwärtige Behandlung ehemaliger Stasi-Angehöriger wirke allerdings “begünstigend für Absichten, (sie) gegen die BRD zu missbrauchen”, schreibt der General mit deutlich drohendem Unterton. “Zusätzlich ist zu beachten, dass diese Situation der ‚Ausgrenzung’ zur Bildung von Gruppen im Sinne der Solidargemeinschaft führt, die real einen beträchtlichen politischen Zündstoff darstellen und manipulierbar werden.” Hinzu komme, dass viele ehemalige Stasi-Angehörige “teilweise recht enge private Kontakte zum KGB” und anderen östlichen Geheimdiensten haben, was diese für eine Zusammenarbeit ausnutzen könnten, warnt Männchen.
Der General konnte dabei auf eigene Erfahrungen verweisen. Um die Jahreswende 1990/91 suchte der damalige KGB-Generalleutnant Budanow Männchen in dessen Haus in Grünheide bei Berlin auf. Der Russe regte dabei an, dass man sich in Zukunft doch häufiger treffen könnte. “Mir war dabei natürlich klar, dass von Seiten der Sowjets daran gedacht war, meine Kenntnisse als langjähriger Leiter der Hauptabteilung III zu nutzen”, erzählte Männchen im November 1991 bei einer Vernehmung durch die Bundesanwaltschaft. Es sei dann später tatsächlich noch zu weiteren Treffen mit Budanow gekommen. “Ich gehe davon aus, dass seitens der Sowjets geplant ist, mich in irgendeine Sache einzuspannen”, informierte der Stasi-General seine Vernehmer und fügte hinzu: “Ich werde das BfV auf dem Laufenden halten. Dies ist so zwischen den Kölnern und mir vereinbart.”
“Die Kölner”, also das Bundesamt für Verfassungsschutz, wurden zu diesem Zeitpunkt von einem alten Bekannten von Männchen angeführt – Eckart Werthebach. Der CDU-Politiker hatte sich 1990 als “Sicherheitsberater” des letzten DDR-Innenministers Diestel und vor allem als Beschaffer von Stasi-Abhörprotokollen westdeutscher Politiker bewährt und als Dank dafür den Präsidentenposten im BfV erhalten. Seine “Quellen” aus seiner Ost-Berliner Zeit – neben Männchen gehörten dazu weitere hochrangige Stasi-Offiziere sowie der Vizechef der deutschen KGB-Zentrale in Karlshorst – hatte Werthebach in sein neues Amt mitgenommen.
Stasi-General Männchen genoss offenbar seine neue Rolle als Verfassungsschutzagent. Im Juni 1992 informierte er bei einer neuerlichen Befragung die Bundesanwaltschaft darüber, dass er weiterhin in Kontakt mit dem inzwischen nach Moskau zurückgekehrten KGB-General Budanow stehe; außerdem habe sich inzwischen auch dessen Kollege Boris Trischin bei ihm gemeldet, der frühere KGB-Verbindungsoffizier zur Hauptabteilung III. Sollten von beiden “irgendwelche sicherheitsrelevanten Ansinnen an mich gestellt werden, werde ich mich, wie abgesprochen, mit dem BfV in Verbindung setzen”, so Männchen.
Unklar bleibt, warum sich Männchen schon wenige Wochen nach seinem Ausscheiden aus der Stasi am 6. Dezember 1989 dem Verfassungsschutz andiente. Lag es an seiner Einsicht, “einer falschen Sache gut gedient zu haben”, wie er der Bundesanwaltschaft gegenüber sagte? “Ich stehe loyal zu der jetzigen Bundesrepublik Deutschland und will nach Kräften verhindern, dass dieser Staat Schaden leidet”, beteuerte er bei dieser Gelegenheit.
Wahrscheinlich ist, dass sich Männchen von seinem raschen Seitenwechsel zum einstigen Feind auch einen gewissen Schutz versprach. Schutz vor für ihn hochgefährlichen Ermittlungen im Zusammenhang mit möglichen Mord- und Terroranschläge der Stasi.
Tatsächlich finden sich in wenigen überlieferten MfS-Akten Indizien dafür, dass Männchen nicht nur für das Belauschen und Ausforschen ost- und westdeutscher Bürger zuständig war.
So ließ Männchen im Juni 1981 von einer Spezialabteilung der Stasi eine chemische Substanz untersuchen, bei der es sich angeblich um eine Thalliumverbindung handelte. Insbesondere wollte der General wissen, ob es sich dabei um ein Gift handele und “wie hoch die letale Dosis bei Mensch und Tieren” sei. 1981 war ein Mordanschlag der Stasi auf ein westdeutsches Fluchthelfer-Ehepaar gescheitert – den beiden war auf einer Urlaubsreise von einem Stasi-IM Thallium unter die Buletten gemischt worden. Hatte Männchens Anfrage mit diesem Anschlag zu tun?
1982 beauftragte Männchen den Schweriner Arzt Winfried Wolf, seine bereits für die Stasi erarbeitete Studie “zur Ausnutzung der Tollwut für Tötungsverbrechen” zu erweitern. Wolf solle die “Tollwutproblematik weiter bearbeiten, aber ausgedehnt auf die gesamte Palette toxischer Elemente”, die “zur Liquidierung von Zielpersonen genutzt werden könnten”. Männchen hatte sich zur Auftragserteilung im Beisein des Schweriner Stasi-Chefs, Generalmajor Werner Korth, persönlich mit dem Mediziner getroffen. Das Treffen fand im Auftrag des stellvertretenden Stasi-Ministers Gerhard Neiber statt, der für Mordanschläge und Sabotageakte zuständig war. Ermittlungen in dieser Sache nach der Wende gegen Männchen wurden eingestellt, weil das Versuchsstadium für ein Tötungsverbrechen noch nicht erreicht worden sei, wie es hieß.
Auch die Bundesanwaltschaft hatte im Zusammenhang mit einem versuchten Mordanschlag der Stasi Männchen ins Visier genommen. Es ging um einen Anfang der achtziger Jahre gescheiterten Bombenanschlag auf den Hamburger Fluchthelfer Julius Lampl. Der Sprengsatz und das für die Zündung vorgesehene Funkelement seien von Männchens Hauptabteilung III geprüft und hergestellt worden, lautete der Vorhalt der Ermittler. Männchen log zunächst, von einem Attentatsplan nichts gewusst zu haben. Als ihm die Ermittler von ihm verfasste Begleitzettel vorlegten, die sich an Untersuchungsberichten zu den verwendeten Bombenmaterial befanden, flüchtete er sich in Erinnerungslücken. Gleichwohl räumte er ein, Untersuchungen von so genannten Fernzündungssignalen für Sprengstoffvorrichtungen in seiner Hauptabteilung in Auftrag gegeben zu haben. Mit Terrorismus aber habe er nichts am Hut gehabt, beteuerte Männchen. “Wie ich mich kenne, hätte ich auch bereits 1982, wäre ich damals über das Vorhaben (gegen Lampl – d.A.) informiert worden, eine Beteiligung meiner Hauptabteilung an diesem Plan abgelehnt“, sagte Männchen.