Deswegen wollte ihn Merkel nicht haben!?? “ER WIRD ES NICHT !!!” – Lügner brauchte unser Land !
Brief an Bundeskanzlerin u. Vorsitzende der CDU Frau Dr. Angela Merkel
Dr. med. Kerstin Schön
Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie
07368 Remptendorf / OT Liebschütz
Ottermühle 1
fon: 036640-139943 / 4 Liebschütz, den 23.01.2014
An die
Bundeskanzlerin
und Vorsitzende der CDU
Frau Dr. Angela Merkel
Liebe Angela Merkel,
seit meinem 17. Lebensjahr war ich in der DDR in oppositionellen Gruppierungen aktiv und wurde infolge dessen vom MfS nahezu lückenlos bis zur Wende 1989 überwacht. Doch ich hatte das Glück, dass die mir geltende geplante Verhaftung im Oktober 1989 innerhalb des MfS abgewendet wurde.
Gemeinsam mit vier anderen Frauen organisierte ich am 04.12.1989 in Erfurt die erste Besetzung einer Bezirksverwaltung des MfS in Erfurt, um der dort stattfindenden Vernichtung der Stasiakten wie auch dem Wirken der Staatssicherheit endlich Einhalt zu gebieten.
Seit 1990 unterstützte ich in meiner Praxis als Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie über viele Jahre Frauen, die in der DDR sexualisierte Gewalt und Folter überlebt hatten und nach der Wende erstmals darüber zu sprechen wagten. Die Bestätigung der Erwerbsunfähigkeit für diese Frauen war mehrheitlich die Voraussetzung für die not-wendige traumaspezifische Therapie.
Damals begegnete ich in meiner Praxis nie Menschen, die wegen der Folgen politischer Haft nach psychiatrisch-psychotherapeutischer Hilfe suchten. Erst vor kurzem wurde ich von ehemals politisch Inhaftierten um Hilfe gebeten im Rahmen ihres jahrzehntelangen Bestrebens nach gesellschaftlicher Wiedergutmachung der von ihnen erlittenen Haftfolgeschäden in der SED-Gewaltherrschaft. Davon ausgehend suchte ich den Kontakt auch zu anderen ehemals politisch Inhaftierten und sprach mit vielen von ihnen persönlich. Erst dadurch wurde mir klar, dass das MfS versuchte – auf Anweisung der SED – politisch Inhaftierten vorsätzlich und gezielt ‘das Rückgrat zu brechen’: durch Inhaftierung, Haft und die damit verbundene Isolation, Entmündigung, Entwürdigung sowie durch Arbeitszwang und körperliche Ausbeutung – bis hin zur erzwungenen Blut-‘Spende’. Laut der UN-Antifolterkonvention ist jede Handlung als Folter zu werten, bei der Träger staatlicher Gewalt einer Person vorsätzlich starke körperliche oder geistig-seelische Schmerzen oder Leiden zufügen, zufügen lassen oder dulden, um Aussagen zu erpressen, einzuschüchtern oder zu bestrafen.
Die politische Haft in der DDR ist zweifelsfrei Folter gewesen(?) und als solche auch zu werten. Daraus ergab sich für mich die Notwendigkeit aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht Stellung zu beziehen. Es ist davon auszugehen, dass vermutlich alle politisch Inhaftierten – ungeachtet der Länge ihrer Haftzeit – infolge der zersetzungs- und haftbedingten Traumata nach der damaligen Nomenklatur schwerste haft-traumatisch ausgelöste sekundäre Persönlichkeitsstörungen ängstlich-depressiver Prägung mit ausgeprägten Abspaltungs- und Verdrängungsmechanismen
(als Über-Lebens-Mittel) erlitten haben und deshalb rückblickend meist schon während der Haft als erwerbsunfähig einzuschätzen gewesen sind – mit 100 % Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit.
Der Schlüssel zur weiteren Traumatisierung aller politisch Gefangenen war die erzwungene Schweigeverpflichtung bezüglich der Haft, die sie zwang über diese ihnen staatlich zugefügte Folter zu schweigen oder erneut inhaftiert zu werden. Dies führte absichtsvoll zur Vorenthaltung angemessener Heilbehandlung, um jeglichen Widerstand ehemals politischer Gefangener dauerhaft zu brechen. Die meisten politischen Gefangenen waren nach der Haft durch das MfS in der DDR der ‘Zersetzung’ unterworfen: durch Verleumdung, Wohnungsüberwachung, soziale Isolation und gezielte berufliche Benachteiligung sowie Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit durch Bewährungsauflagen und PM 12. Auf Grundlage der operativen Psychologie war Zersetzung das Werkzeug des MfS, um politische Gegner in ihrem persönlichen Lebensumfeld psycho-sozial zu zerstören.
Doch auch nach 1990 – im geeinten Deutschland – wurden die haft- und zersetzungsbedingten gesundheitlichen Folgen ehemals politisch Inhaftierter in der DDR ärztlicherseits entweder gar nicht oder nicht in dem gegebenen Ausmaß wahrgenommen und angemessen bewertet. So gab es für ehemals politisch Inhaftierte der SED-Diktatur weder eine realistische Einschätzung ihrer anzunehmenden völligen Erwerbsminderung infolge der erlittenen haftbedingten Traumata noch eine der Schwere und der Komplexität ihrer Leiden entsprechende angemessene Therapie.
Rückblickend ist die Situation ehemals politisch Gefangener der DDR aus psychiatrischer Sicht wie folgt diagnostisch einzuschätzen:
1. Die Inhaftierung verursachte eine akute psychophysische Schockreaktion mit schwersten Angst- und Panikattacken.
2. Die Haft bewirkte eine schwerste haft-traumatisch ausgelöste sekundäre Persönlichkeitsstörung ängstlich-depressiver Prägung mit undulierend akuter bzw. subakuter, später latenter Suizidalität und heftiger Somatisierung der erlittenen psychischen Traumata, die weitestgehend abgespalten und verdrängt werden mussten
3. Die angeordnete ‘Zersetzung’ nach der Haft führte zu Retraumatisierungen dieser vorliegenden schwersten chronifizierten haft-traumatisch bedingten sekundären Persönlichkeitsstörung ängstlich-depressiver Prägung mit latenter Suizidalität und chronifizierter Somatisierung der abgespaltenen und verdrängten haftbedingtenTraumata
4. Die unzureichende Wiedergutmachung der Haftfolgeschäden im geeinten Deutschland ab 1990 führte dann zu weiteren Retraumatisierungen der schwersten chronifizierten haft-traumatisch bedingten sekundären Persönlichkeitsstörung ängstlich-depressiver Prägung mit intermittierend latenter Suizidalität und chronifizierter Somatisierung der abgespaltenen und verdrängten Traumata
Nach der neuen Nomenklatur lässt sich der psycho-physische Zustand politisch Gefangener in der DDR diagnostisch eindeutig einordnen als: Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung durch Folter* (F62.0) Diese Störung ist gekennzeichnet durch eine misstrauische Haltung der Welt gegenüber, durch sozialen Rückzug, Gefühle der Leere oder Hoffnungslosigkeit, ein chronisches Gefühl der Anspannung wie bei ständigem Bedrohtsein und Entfremdungsgefühl. Hinzu kommt eine schwere chronifizierte Somatisierung der abgespaltenen und verdrängten Traumata.
In den MfS-Untersuchungshaftanstalten war physische und psychische Misshandlung die Regel – politisch Inhaftierte wurden nicht wie Menschen sondern wie Feinde behandelt. Zu den üblichen Foltermethoden gehörten: Einzelhaft, Verhöre, Bedrohung, Entwürdigung, Bewegungsentzug, Schlafentzug, Isolierung, Informationssperre, Mangelernährung, Vorenthaltung medizinischer Betreuung und vieles andere mehr. Politische Gefangene wurden in der DDR im Strafvollzug kriminalisiert und vorsätzlich schlechter behandelt als kriminelle Gefangene.
Folgen der politischen Haft sind neben den beschriebenen Erkrankungen gravierende berufliche Nachteile aufgrund der durch die Haft und die Zersetzung versäumten, vorenthaltenen oder mangelhaften Ausbildung sowie der haftbedingt erheblich eingeschränkten psychophysischen Belastbarkeit.
Auch das Gesundheitssystem der DDR wurde vom MfS gezielt missbraucht. Mindestens 3 % der Ärzte und Psychologen (laut bisherigen Forschungen) waren als IM tätig und etliche von ihnen direkt für das MfS. Diese Ärzte und Ärztinnen blieben auch nach 1990 übergangslos in Professuren, Dozenturen, Verwaltungen, Forschung und Niederlassung tätig sowie in Begutachtung und Therapie– bis heute.Auch das wartet auf gesellschaftliche Aufarbeitung.
Ungefähr 280.000 Menschen litten unter politischer Haft, Zersetzung, Ausweisung, Zwangsumsiedelung durch SED-Willkür, und ungefähr 750 000 Angehörige dieser Opfer waren mit betroffen.
Auf der Grundlage von Menschlichkeit und Gerechtigkeit braucht es:
1. Die grundsätzliche Anerkennung des Vorliegens der Erwerbsunfähigkeit infolge der Folter durch Haft für alle in der DDR politisch Inhaftierten sowie die folgerichtige Gewährung einer Erwerbsunfähigkeits-Rente wegen 100 % Minderung der Erwerbsfähigkeit – solange es medizinisch notwendig ist.
2. Die grundsätzliche Anerkennung aller verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden auf der Annahme der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem gesundheitlichen Schaden und der Verfolgung (wie für die Opfer des Nationalsozialismus) und auf der Grundlage der Beweislastumkehr.
3. Die Bereitstellung geeigneter und fundierter Traumatherapien im Lebensumfeld der SED-Opfer.
4. Die grundsätzliche Anerkennung, Entschädigung und Rehabilitierung aller verfolgungsbedingten beruflichen Benachteiligungen auf der Grundlage der Annahme der Wahrscheinlichkeit.
5. Die gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung aller Opfer der SED-Gewaltherrschaft – einschließlich bisher nicht oder unzureichend berücksichtigter Opfergruppen: Zersetzungsopfer, zwangsdeportierte Frauen, Zwangsausgesiedelte, Zwangsadoptierte …
6. Die Einführung einer regulären einkommensunabhängigen „Ehrenpension“ in Höhe von mindestens 1000 Euro monatlich für alle in der DDR politisch Inhaftierten unabhängig der Haftdauer anstatt der bisherigen „Opferrente“. (Denn besonders die ersten Tage, Wochen und Monate in Untersuchungshaft waren darauf angelegt gezielt den Willen der Inhaftierten zu brechen.)
7. Die nachträgliche Entschädigung der erlittenen Folter durch politische Haft mit mindestens 1000 Euro für jeden Haftmonat.
8. Die Einführung einer regulären einkommensunabhängigen „Ehrenpension“ in Höhe von mindestens 500 Euro für alle Zersetzungsopfer der SED-Gewaltherrschaft.
9. Die Einsicht: die Wiedergutmachung an den SED-Opfern hat Vorrang vor der Finanzierung von Gedenkstätten.
Viele der ehemals politisch Gefangenen der DDR waren auch nach 1990 sich wiederholenden gutachterlichen und / oder verwaltungsrechtlichen und gerichtlichen Retraumatisierungen ausgesetzt.
Ihr Alltag ist geprägt vom existentiellen Überleben der durch die Haft verursachten psychophysischen Gesundheitsschäden, für die es noch heute an einer angemessenen Entschädigung und Wiedergutmachung fehlt.
Die SED-Opfer kämpften für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde – sie waren Wegbereitende der friedlichen Revolution in der DDR, die der SED-Gewaltherrschaft 1989 ein Ende bereitete. Sie alle haben ein Anrecht auf umfassende Wiedergutmachung.
Im Artikel 17 des Einigungsvertrages von 1990 zwischen der Bundesrepublik und der DDR wurde den Opfern politischer Strafverfolgung unter der SED-Gewaltherrschaft mit der Rehabilitierung eine angemessene Entschädigung zugesagt, die 25 Jahre nach der friedlichen Revolution noch immer aussteht. Diese zugesagte angemessene Entschädigung für die SED-Opfer ist längst überfällig und nicht noch länger aufschiebbar. Viele von ihnen leben infolge der ihnen zugefügten Traumatisierungen an der Armutsgrenze, während ehemaligen SED-Funktionären durchaus üppige Renten entsprechend ihrem DDR-Verdienst gewährt werden.
Taten reden lauter als Worte.
Dieser offensichtliche Mangel an Menschlichkeit und Gerechtigkeit ist eine menschliche, eine gesellschaftliche, eine politische und eine moralische Schande für das deutsche Volk, für Deutschland.
Die angemessene Entschädigung und Wiedergutmachung sollte im Verursacherprinzip gründen und durch das ehemalige Vermögen der SED sowie der Blockparteien und Massenorganisationen der DDR finanziert werden.
Die größte Herausforderung in der Aufarbeitung des DDR-Unrechts sind die individuelle und die kollektive Abspaltung und Verdrängung der eigenen Verantwortlichkeit in der SED-Gewaltherrschaft.
Um dies gemeinsam aufzulösen und die daraus zu gewinnenden Einsichten ins gesellschaftliche Bewusstsein zu heben bedarf es offener und wahrhaftiger Aussprachen über die verschiedenen individuellen Lebenswirklichkeiten in der DDR auch als Grundlage einer umfassenden Forschung zur Psychopathologie der SED-Diktatur und ihrer Folgen für das Leben der Einzelnen und für die Gesellschaft.
Ich freue mich auf eine baldige Antwort für die gesellschaftliche Klärung der aufgeführten Belange.
Mit herzlichem Gruß
Kerstin Schön