Schwierigkeiten mit der Wahrheit
Die Überprüfung der DDR-Rechtsanwälte und die Enquete des Landtages im Land Brandenburg
Christian Booß
26.10.2012 Bereits 1990 warnten Opfer der DDR-Justiz vor Anwaltskarrieren belasteter Juristen des SED-Regimes. Im selben Jahr begann die Überprüfung von Rechtsanwälten für ihre Eignung im demokratischen Rechtsstaat. Welche Ergebnisse haben diese Überprüfungen im Land Brandenburg gezeitigt?
I
“Vom Rechtsbeuger zum Rechtsanwalt” titelte das ARD-Fernsehmagazin “Kontraste” schon am 7. August 1990.[1] Opfer der DDR-Justiz hatten mit dieser Beschwerde vor dem Ost-Berliner Justizministerium demonstriert und vor Anwaltskarrieren von belasteten DDR-Juristen gewarnt. Zum Rechtsvertreter war zum Beispiel der ehemalige Direktor des Stadtbezirksgerichts von Berlin-Lichtenberg, Jürgen Wetzenstein-Ollenschläger
Jürgen Wetzenstein-Ollenschläger (© picture-alliance, Nestor Bachmann/dpa)
Jürgen Wetzenstein-Ollenschläger, mutiert. Dieser hatte als Vorsitzender einer sogenannten I a-Kammer Verfahren geleitet, die das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ermittelt hatte. Prozesszuschauer waren nicht selten MfS-Mitarbeiter, die vom benachbarten Ministerium durch den Heizungskeller ins Gerichtsgebäude kamen.[2] Unter den Verurteilten war auch die damalige Vera Wollenberger, die 1988 wegen der geplanten Teilnahme an der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration von Wetzenstein zu sechs Monaten Haft verurteilt worden war. Das Verdikt war die Vorstufe zu ihrer zeitweisen Ausweisung aus der DDR.[3]
Seit dem Februar 1990 war das Zulassungsrecht für Rechtsanwälte in der DDR Schritt für Schritt liberalisiert worden. Bis dato hatte es nur knapp 600 Anwälte gegeben, so wenige wie nirgends sonst im Ostblock. Die Zulassung war mit wenigen Ausnahmen an die Mitgliedschaft in einem Rechtsanwaltskollegium auf Bezirksebene gebunden; Justizministerium, SED, Stasi und Kollegium hatten den Zugang reglementiert.[4]
Auf dem Verordnungswege, kurz vor der Vereinigung der beiden deutschen Staaten per Gesetz, wurden im Verlauf des Jahres 1990 diese Hürden abgebaut. Das Kollegium verlor mit dem Rechtsanwaltsgesetz (RAG) vom 15. September seine Existenzberechtigung.[5] In der Übergangsphase durfte das Justizministerium der DDR Anwälte zulassen. Zulassungsberechtigt waren alle DDR-Diplomjuristen, die eine ausreichende Berufspraxis nachweisen konnten. Dies nutzten in den letzten Tagen der DDR insbesondere viele Justizangestellte und -funktionäre in staatlichen Diensten, die im Gefolge der Deutschen Einheit mit ihrer Absetzung rechnen mussten. Vor allem die sächsische und die Berliner Anwaltskammer waren entsetzt über den Neuzugang: “Wir könnten eine komplette Regierungsmannschaft der DDR stellen”, bilanzierte damals die Hauptgeschäftsführerin der Berliner Anwaltskammer.[6] Nach Auffassung des Nachrichtenmagazins “Der Spiegel” las sich die Liste der Ost-Anwälte teilweise wie ein “Who is Who” des SED-Unrechtsstaates. Gedrängt durch die ostdeutschen Landesregierungen legte der Bundesjustizminister Klaus Kinkel daraufhin ein Rechtsanwaltsüberprüfungsgesetz vor. Er forderte vor dem 46. Anwaltstag im Mai 1991: “Die Anwaltschaft darf nicht zum Auffangbecken für Stasi-Offiziere und gnadenlose Richter und Staatsanwälte werden.”[7]
II
Die Opposition im Brandenburgischen Landtag verlangte vor einigen Monaten Auskunft über die Bilanz dieser Überprüfung. Seit 2010 tagt dort auf deren Initiative die Enquete-Kommission “Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg”.[8] Die Konstituierung der ersten rot-roten Koalition Ende 2009, begleitet von Stasi-Skandalen in der Fraktion der Linkspartei[9], gepaart mit dekretiert wirkenden Versöhnungsappellen des Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) hatten die Geduld der Brandenburger Opposition überstrapaziert. Zweifel an einer konsequenten Aufarbeitung der diktatorischen Vergangenheit waren nicht mehr wegzuschieben. Im Rahmen der Enquete sollte auch die Überprüfung der Justiz überprüft werden, neben der der Richter und Staatsanwälte auch die der Anwälte.
Doch Landesregierung und Landtagsmehrheit tun sich schwer mit der Aufarbeitung der Aufarbeitung, teilweise blockieren sie diese. Der Antrag, mittels einer wissenschaftlichen Expertise die Rechtsanwaltsüberprüfung zu untersuchen, wurde von der Mehrheit in der Enquete abgelehnt. Die Opposition konnte immerhin einen Vortrag im Rahmen einer Anhörung durchsetzen.[10] Doch auch die Vorbereitung dieses Vortrags wurde behindert, weil die Landesregierung trotz mehrfacher Interventionen und Proteste kaum und teilweise sogar falsche Informationen beisteuerte: Ursprünglich hatte die Landesregierung behauptet, die “Unterlagen im Dezember 1993 an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes und zu einen späteren Zeitpunkt zuständigkeitshalber an die Rechtsanwaltskammer Brandenburg abgegeben zu haben.”[11] Nach mehreren Nachfragen und einem Appell an den Ministerpräsidenten[12] korrigierte sich die Landesregierung ein Dreivierteljahr später wenige Tage vor der Anhörung, “Verwaltungsakten und Einzelakten” lägen im Ministerium vor, die “demnächst dem Landesarchiv zur Übernahme angeboten werden”.[13]
Auch das Oberlandesgericht behauptete, “hier keine Unterlagen/Akten” zu haben. In Wirklichkeit liegen die Verwaltungsakten, die Generalakten noch im Keller des brandenburgischen Gerichtes.[14] Das Potsdamer Justizministerium hat nicht nur die Sachaufklärung für die Enquete behindert, sondern auch das Parlament falsch informiert. In der Beantwortung von zwei kleine Anfragen 2010/11 stützte sich das Ministerium auch auf Nichtwissen.[15] Die brandenburgische Landesregierung setzt sich damit dem Verdacht aus, nicht nur die Aufarbeitungsenquete zu behindern, sondern auch Gesetze zu verletzen, die sich das Land nach 1990 gegeben hat, um diktatorische Praktiken für alle Zeit zu überwinden.[16]
Auch die Rechtsanwaltskammer weigerte sich, entsprechende Informationen zuzuarbeiten oder auch nur einen Gesprächspartner zu nennen, weil dies “nur mit unverhältnismäßigem Aufwand” zu bewerkstelligen sei.[17]
III
Schon die SPD-Regierung Manfred Stolpes hatte dem Landtag 1994 verharmlosende Auskünfte über Rechtsanwaltsüberprüfungen gegeben. Danach waren nach dem 3. Oktober 1990 in Brandenburg 327 Anwälte zugelassen. Nach ersten Auskünften sei die Überprüfung für “hiervon … 14 belastend, 46 nicht belastend” ausgefallen.[18] Dies suggerierte eine Belastung durch Verstrickungen in die politische Justiz der DDR von vier Prozent. Heutige Analysen sprechen dafür, dass die Belastung doppelt so hoch war.
Aus heutiger Sicht stellt sich die Entwicklung in Brandenburg wie folgt dar: In den drei Bezirken (Potsdam, Frankfurt/Oder, Cottbus), die später das Land konstituierten, hatte es 1989 etwa 80–90 Anwälte gegeben.[19] Bis zum 3. Oktober 1990 war ihre Zahl auf 327 angewachsen. Justitiare für Vertragsrecht waren zuvor bei den jeweiligen Betrieben angebunden gewesen. Viele hatten nun die Gunst der Stunde genutzt. Aber auch durch Verstrickungen in die politische Justiz Belastete machten sich nunmehr selbstständig: Staatsanwälte, Richter und Stasi-Juristen.
Das zuständige Justizministerium sollte laut § 8 RAG die Kammern durch Stellungnahmen in die Zulassung einbeziehen. Es ist allerdings zu bezweifeln, dass dies in den letzten Tagen der DDR überhaupt praktiziert wurde, zumal die Kammern sich erst später bildeten. Wer den “minimalen Anforderungen” genügte, so der altgediente DDR-Anwalt Friedrich Wolff, wurde vom Justizministerium “noch schnell zugelassen.”[20]
Die Zulassung war nach § 7 Abs. 2 RAG zu versagen, wenn “sich der Bewerber eines Verhaltens schuldig gemacht hat, die ihn unwürdig erscheinen lässt, den Beruf eines Rechtsanwaltes auszuüben”. Dieser Passus orientierte sich wie das ganze Gesetz an der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Es fehlten daher aber Kriterien, die spezifische ostdeutsche Nichteignungsmerkmale definiert hätten.
Schon seinerzeit war bekannt, dass noch in der Nacht vom 2. zum 3. Oktober 1990 im Ost-Berliner Ministerium Zulassungen abgezeichnet wurden. In der Literatur heißt es beschönigend, “Sachbearbeiter” wären dafür zuständig gewesen.[21] In Wirklichkeit waren es die Mitarbeiter des MdJ, die zu DDR-Zeiten dafür gesorgt hatten, dass nur Partei- und Stasi-genehme Juristen den Anwaltsberuf ausüben durften. Die Letztverantwortung für die Anwaltszulassung hatte in diesen Tagen der amtierende Justizminister in der Regierung de Maizière, Manfred Walther
Manfred Walther, Porträtfoto als Abgeordneter in der 1. Wahlperiode des Brandenburgischen Landtags (© Landtag Brandenburg)
Manfred Walther, zuvor Rechtsanwalt im Bezirk Cottbus. Was bislang nicht bekannt ist, dass Walther 1980–1982/83 als inoffizieller Mitarbeiter (IM) “Freddy” für die Hauptverwaltung Aufklärung des MfS (HV A) registriert gewesen war. Das MfS bescheinigte ihm, über ein “spezifisch ausgeprägtes Feindbild” zu verfügen, das “eine kontinuierliche und zielstrebige Zusammenarbeit” ermöglichte, “in deren Ergebnis operativ interessante Ergebnisse, vorwiegend im Abwehrbereich erarbeitet wurden”. Konkret soll Walther laut Stasi-Angaben “Stimmungsberichte aus der CDU erarbeitet, Informationen übermittelt, die Abwehrcharakter haben”. Außerdem habe er seine Verbindungen in den Westen zu US-Bürgern im Ausland, Mitarbeiter der West-Berliner Universitätsverwaltung und einem Mitarbeiter des Reichstagsgebäudes “umfassend darlegt” und sei bereit “bei Notwendigkeit für das MfS bestimmte Aufträge im soz[ialistischen] oder kap[italistischen] Ausland zu übernehmen”.[22] Dass es eine IM-Akte Walthers gegeben hat, ist nur durch Karteikarten und zusammenfassende Berichte belegt. Das verwundert nicht, denn verfängliche Akten von Personen in “exponierten Stellungen” sollten ab Dezember 1989 vernichtet werden.[23]
Das Trio “mit Vergangenheit” ließ also die Anwälte zu: Die Regierung mit dem ehemaligen DDR-Anwalt Lothar de Maizière an der Spitze, der in Stasi-Karteien und Akten bekanntlich als IM “Czerni” geführt worden war, Lothar de Maizière
Lothar de Maizière, Porträtfoto vom April 1990 (© Bundesarchiv, Bild 183-1990-0412-439; Elke Schöps/ADN-ZB)
gewährleistete mit dem Einigungsvertrag die Fortgeltung der DDR-Zulassungen und damit die Gleichstellung der DDR-Anwälte.
Das “Gesetz zur Prüfung von Rechtsanwaltszulassungen, Notarbestellungen und Berufungen ehrenamtlicher Richter” vom 24. Juli 1992 (ReNotPrüfG)[24] war nicht zuletzt wegen der ursprünglich erteilten Bestandsgarantie von Anfang an umstritten. Die Anwaltskammern hatten letztlich nur eingewilligt, um Vertrauen gutzumachen. Verbände wie der Deutsche Anwaltsverband (DAV) sprachen dem Staat das Recht ab, die Vertreter eines grundgesetzlich geschützten freien Berufes erneut zu überprüfen und verwiesen auf Systemzwänge.[25] Juristisch war es in der Tat ein Problem, dass das Bundesverfassungsgericht 1988 in den sogenannten Bastille-Entscheidungen das Standesrecht der Anwälte liberalisiert hatte.[26] Standesvertreter befürchteten offenbar, dass dieser seit den 1950er-Jahren mühsam errungene Standard gefährdet werden könnte. Andererseits waren diese Regelungen für die stabile Bundesrepublik gedacht – und nicht für die Transformation eines Nicht-Rechtsstaates, dessen Anwaltszulassungen offenkundige Mängel anhafteten.
Das ReNotPrüfG regelte im § 1 Abs. 1: “Vor dem 15. September 1990 durch Aufnahme in das Kollegium oder durch den Minister der Justiz der Deutschen Demokratischen Republik ausgesprochene Zulassungen zur Rechtsanwaltschaft werden widerrufen, wenn sich der Rechtsanwalt nach seiner Zulassung, aber vor dem 15. September 1990, eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn unwürdig erscheinen lässt, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben, weil er gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit insbesondere im Zusammenhang mit einer Tätigkeit als hauptamtlicher oder inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes verstoßen hat.” Das Stasi-Unterlagengesetz (StUG), das ein halbes Jahr zuvor in Kraft getreten war, gab bis zum Jahr 2005 die Handhabe Stasi-Akten zur Überprüfung heranzuziehen. Bei Neuzulassungen bildeten in einer Übergangszeit das RAG, dann die BRAO die Überprüfungsgrundlage, ob der Anwärter “unwürdig” war.
IV
Das Land Brandenburg orientierte sich zunächst an der Praxis der Länder Sachsen und Berlin. Die Anwälte wurden um eine Selbstauskunft mittels Fragenbogen gebeten. Wer auf die Frage, ob er Kontakte zur Staatssicherheit gehabt habe, mit Ja oder gar nicht geantwortet hatte, wurde ab 1992 einer genaueren Untersuchung unterzogen.[27] Schon auf Basis der ersten Auskünfte durch den Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) hätte deutlich sein müssen, dass mehr als die Hälfte der Stasi-Belasteten keine oder falsche Auskünfte gegeben hatte. Dennoch wurde das Verfahren nicht geändert. Abweichend beispielswiese vom Land Sachsen gab es also keine Regelüberprüfung der Anwälte in Brandenburg.
Ob bei den ersten Neuzulassungen nach dem 3. Oktober 1990 bis ins Jahr 1991 vor dem Inkrafttreten des StUG überhaupt Überprüfungen auf Stasi-Tätigkeit stattgefunden haben, ist derzeit nicht nachvollziehbar. Es gibt begründete Zweifel. Zeitzeugen berichten davon, dass zahlreiche Anträge auf Zulassung in der Berliner Außenstelle des Bundesjustizministeriums aufgelaufen waren, die der neuen Landesverwaltung bereits zu einem Zeitpunkt übergeben worden seien, als diese kaum arbeitsfähig war. Zusätzlich gab es Druck, die Unterversorgung mit Anwälten zu kompensieren.
An die Anwaltszulassung wurden weniger strenge Maßstäbe gelegt als bei der Richter- und Staatsanwaltsüberprüfung. Zum einen, weil es sich um einen grundgesetzlich verbürgten freien Beruf handelt, zum anderen, weil das Brandenburgische Justizministerium (MJ) davon ausging, dass sich jeder seinen Anwalt frei wählen kann. Diese Annahme ist allerdings zu hinterfragen. Erstens gab es in den ländlichen Regionen Brandenburgs eine deutliche Unterversorgung mit Anwälten.[28] Zum zweiten konnte ein Bürger ja nicht wissen, mit wem er es zu tun hatte. Die Behauptung des damaligen Staatssekretärs Rainer Faupel, es sei “niemand gezwungen, sich einen Anwalt zu wählen, von dem auch nur die geringste Belastung bekannt ist”,[29] läuft ins Leere. Schließlich wurden die Ergebnisse der Überprüfungen in der Regel nicht bekannt. Die Brandenburger wussten also nicht, mit wem sie es zu tun hatten.
Eine Geschäftsordnung für die Überprüfung gab es ebenso wenig wie ein Überprüfungsraster. Bei Belastungen wurden die Betroffenen angehört, die Rechtsanwaltskammer gab ihre Stellungnahme ab.[30] Dies entsprach rechtlichen Regelungen aus dem Anwaltsgesetz der DDR, dem RAG vom September 1990. Bei ehemaligen Richtern und Staatsanwälten wurden zusätzlich zur Anfrage beim BStU Urteilssammlungen bei Gerichten angefragt. Ob und wie dies in jedem Fall geschah, ist bis heute nicht nachvollziehbar. Fälle von hochgradig belasteten Juristen, die Anwälte wurden, lassen Zweifel an der Treffgenauigkeit dieses Verfahrens zu. Zeitzeugen behaupten, dass auch bei der Erfassungsstelle Salzgitter angefragt worden sei. Dies scheint aber in keinem erkennbaren Fall zu einer expliziten Zulassungsverweigerung geführt zu haben.
Bei den Überprüfungen der Hauptamtlichen Mitarbeiter des MfS kam es anscheinend zu gravierenden handwerklichen Mängeln: “Normalerweise” lagen laut MJ-Auskunft bis 1994 “nur die Kaderkarteikarten vor, die zwar Auskunft über Dienstgrad und Einsatzort, nicht aber über die tatsächlich innegehabte Funktion und den Tätigkeitsbereich geben.”[31] Diese Behauptung des Brandenburgischen Justizministeriums in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage ist unzutreffend. Operative Mitarbeiter des MfS hatten Vorgangshefte, in denen genau verzeichnet war, welche IM sie führten, welche Personen sie überwachten und gegen wen sie ermittelten. An Hand von Registriernummern lassen sich die Einzelvorgänge aus dem Stasi-Akten ziehen. Man muss das nur recherchieren – bzw. recherchieren wollen. Die Stasi-Unterlagenbehörde bestreitet jedenfalls, Akten vorenthalten zu haben.[32]
Auch die Behauptung, dass aus der Kaderkarteikarte die Tätigkeit nicht hervorginge, ist unzutreffend. Im Gegenteil ist es gerade der Sinn dieser Personalkartei, den Bildungs- und beruflichen Werdegang in Kurzform abzubilden.
So enthält beispielsweise die Karteikarteikarte von Norbert Lindner ganz deutlich den Hinweis, dass er Referatsleiter der Abteilung IX, also des Untersuchungsorgans, der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Potsdam war.[33] Was das Untersuchungsorgan in der DDR tat, ist schon in § 88 Strafprozessordnung der DDR nachzulesen. Es bearbeitete Staatssicherheitsdelikte mit dem Ziel der Anklage. Lindner ist in Brandenburg Anwalt.
Im Ergebnis waren mindestens 24 hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter in Brandenburg als Rechtsanwalt zugelassen worden. Selbst heute sind es noch mindestens 14.[34] Aus keinem anderen Bundesland sind bisher derart hohe Zahlen bekannt. Offenbar hatte Brandenburg eine gewisse Magnetwirkung für Stasi-belastete Juristen.
Wie das Potsdamer Justizministerium seit Februar 2012 einräumt, waren das auch in “einzelnen Fällen” Personen, die nur an der Kaderschmiede des MfS, an der sogenannten Juristischen Hochschule in Eiche-Golm, ihr juristisches Diplom erworben haben.[35] Die Frage, ob manchen solcher Personen als Schreibtischtätern nicht mehr Verantwortung bei der Verletzung der Menschlichkeit und von Rechtsstaatsprinzipien zukommt als manchem IM, wurde in Brandenburg offenbar nicht ausreichend geprüft.
Das Überprüfungsverfahren litt auch unter organisatorischen Problemen. Mit der Ländergründung und damit Landeszuständigkeit existierte noch kein funktionierendes Ministerium. Dessen Arbeit spielte sich erst im Laufe des Jahres 1991 ein.[36] Mehrfach wechselten Personal und Zuständigkeiten. Ab 1993 war das Oberlandesgericht Brandenburg mit der Zulassung befasst, nach 2003 war es entsprechend dem neuen Bundesrecht die Rechtsanwaltskammer Brandenburg.[37]
Da die Landesregierung Brandenburg bisher die Einsicht in die entsprechenden Akten verweigert, ist nur schemenhaft nachvollziehbar ob und mit welchen politischen Vorgaben überprüft wurde. Schon im Gesetzgebungsverfahren hatte Brandenburg darauf hingewirkt, dass der Widerruf der Zulassung an “enge und strenge” Vorsetzungen geknüpft ist und dass die “Tätigkeit für das MfS als solche” nicht ausreicht, um eine Zulassung als Anwalt zu versagen.[38] Der spätere Präsident des Oberlandesgerichtes Brandenburg, der mehrfach mit der Anwaltszulassung befasst war, meint, man sei “da und dort bis an die Grenzen gegangen. Wir wollten die Leute in die neue Zeit mitnehmen.”[39]
Die Überprüfungsergebnisse, soweit vorhanden, spiegeln diese Aussagen durchaus. Von Regierungsseite liegen bis heute keine wirklich belastbaren Ergebnisse der Rechtsanwaltsüberprüfungen vor. 1994 hieß es in der zitierten Anfrage, es seien 14; 2010 hieß es, es seien 61[40] – das entspräche einer Belastungsquote von vier bzw.19 Prozent.
Die Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) teilte auf Nachfrage folgende Zahlen mit: Brandenburg stellte bis zum Auslaufen des Überprüfungsgesetzes 1998 insgesamt 242 Anfragen zu Anwälten. Von ihnen waren 123 mit Erkenntnissen formal belastet[41], also jeder zweite. Vergleicht man die Zahl der formal Stasi-Belasteten mit der Zahl der 1.419 Anwälte 1998 insgesamt, kommt man auf eine Belastungsquote von fast neun Prozent. In der Sekundärliteratur ist bislang nur eine Quote von gut sechs Prozent als IM belasteten DDR-Anwälten bekannt.[42] Die Zahlen sind zwar nicht wirklich vergleichbar, aber es ist beim gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht ausgeschlossen, dass die Belastungsquote nach dem Ende der Überprüfung nach dem ReNotPrüfG höher war als die Durchschnittsbelastung der Anwälte zu DDR-Zeiten.
Der Vergleich mit anderen östlichen Bundesländern zeigt, dass Brandenburg nach anfänglichen Defiziten seine Überprüfungspraxis 1991 zunächst jener in den anderen östlichen Bundesländern anpasste, nicht ganz so scharf wie der Sachsens, aber vom Verfahren ähnlich wie der in Berlin. Im Ergebnis wurden jedoch in keinem Land so wenige Rechtsanwälte überprüft wie in Brandenburg. Es wurde nach Auskunft des Justizministeriums keine Zulassung widerrufen. Das hat es in keinem anderen der östlichen Bundesländern gegeben.[43]
Weitgehend unklar ist die Bilanz der ca. 1.900 Neuzulassungen bis 1998. Das Stasi-Unterlagengesetz gab rechtlich die Handhabe zu Anfragen bis 2006. Ob und in welcher Form die Rechtsanwaltskammer überhaupt so lange davon Gebrauch gemacht hat, bleibt im Nebel, entsprechende Fragen beantwortet sie nicht. Offenbar gab es in jenen Jahren nur wenige Anfragen. Nach BStU-Angaben stellte Brandenburg nach Mecklenburg-Vorpommern die wenigsten Anfragen von allen östlichen Bundesländern. Ganz selten, in drei Fällen, kam es zu Zulassungsverweigerungen.[44]
Auch wenn dies derzeit mangels Kooperationsbereitschaft der Brandenburgischen Landesregierung und der Rechtsanwaltskammer nicht aufgeklärt werden kann, lässt die punktuelle Darstellung von bekannt gewordenen Fällen Zweifel aufkommen, dass das Verfahren konsequent genug war bzw. dass es überhaupt den selbst gesetzten Ansprüchen genügte:
Wilhelm Pilz erhielt in den 90er-Jahren laut Internet seine Anwaltszulassung etwa zur gleichen Zeit, als die Ermittlungen gegen seine Beteiligung als Staatsanwalt im Verfahren gegen Robert Havemann aufgenommen wurden. Er wurde deswegen im Jahr 2000 wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung zum einem Jahr auf Bewährung rechtskräftig verurteilt.[45] Nach seinem Ausscheiden aus der Staatsanwaltschaft war er laut Aktenlage dem MfS als IME (inoffizieller Mitarbeiter im besonderen Einsatz) “Willy” gefällig.[46]
Horst Zank
Horst Zank. Aufnahme des MfS (© BStU, MfS, KS 12701/90, S. 14)
Horst Zank war Professor für Strafprozessrecht an der Stasi-Hochschule in Eiche-Golm. Zank, Jahrgang 1936, war 1956 der SED bei getreten und seit 1955 als operativer Mitarbeiter beim MfS tätig. Ab 1957 diente er sich im Untersuchungsorgan für Strafverfahren, der HA IX, vom Hilfssachbearbeiter zum Stellvertretenden Abteilungsleiter hoch. Ab 1977 leitete Zank den Lehrstuhl an der Juristischen Hochschule (JHS) des MfS, ab 1988 im Range eines Oberst. Seine juristische Ausbildung hatte er im Wesentlichen in MfS-eigenen Ausbildungslehrgängen vor allem an der JHS absolviert. 1988 war er vom Minister für Hoch- und Fachschulwesen zum Professor ernannt worden.[47] 1981 hatte Zank zusammen mit sechs weiteren MfS-Offizieren die umfangreiche Forschungsarbeit “Grundlegende Anforderungen und Wege zur Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit des MfS im Ermittlungsverfahren” verfasst.[48] Für MfS-Verhältnisse war diese Arbeit sicher ein Fortschritt. Allerdings riet sie an mehreren Stellen zur Verschränkung der gesetzlich verankerten Ermittlungstätigkeit des MfS mit operativen, das heißt geheimdienstlichen, Erkenntnissen, die in keiner Weise durch die Strafprozessordnung der DDR legitimiert waren: “Die Untersuchungsarbeit mit ihrer vorrangig offiziellen, in Wahrnehmung der strafprozessualen Befugnisse als Untersuchungsorgan durchgeführten Tätigkeit kann diese Aufgabe nur in Zusammenarbeit mit den operativen Diensteinheiten lösen. Nur dadurch kann die in der Regel erforderliche Kombination offizielle strafprozessualer Maßnahmen mit vorrangig inoffiziellen politisch-operativen Maßnahmen gewährleistet” werden.[49] Schulte Zank mit solchen Formulierungen den MfS-Nachwuchs nicht darin, wie das Recht der DDR mit den typisch rechtsstaatswidrigen Methoden des MfS zu unterlaufen sei?
Udo Lemme
Udo Lemme. Aufnahme des MfS (© BStU, MfS, KS 27217/90, S. 14)
Udo Lemme, Leiter der Rechtsstelle des MfS, war in den letzten Dienstjahren Justitiar des Ministers für Staatssicherheit, Erich Mielke. Später wurde er in Brandenburg Rechtsanwalt.[50]
Henrik Poller
Henrik Poller, Porträtfoto als Abgeordneter in der 1. Wahlperiode des Brandenburgischen Landtags (© Landtag Brandenburg)
Henrik Poller musste wegen einer IM-Belastung Anfang der 90er-Jahre sein Landtagsmandat zurückgeben. In “Kontraste” war berichtet worden, dass Poller in jungen Jahren die angeblichen Fluchtpläne von Freunden verraten hat. Die verbüßten dies mit Haft. Heute ist Poller Rechtsanwalt.[51]
Der heutige Potsdamer Rechtsanwalt Harald Holland-Nell unterschrieb in den 80er-Jahren eine Erklärung, in Folge derer er auf die Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe angesetzt wurde, um ihr “eine Alternative zu ihrem bisherigen Leben” aufzuzeigen und sie “von strafbaren Handlungen abzuhalten”.[52]
In Nordbrandenburg behielt ein Rechtsanwalt seine Zulassung, der als IM “Steiner” während seines Studiums an der Ost-Berliner Humboldt-Universität Listen von Kommilitonen an das MfS weitergereicht hat. Diese wurden laut Akten alle vom MfS überprüft.[53]
Eva-Maria Müller war wegen Rechtsbruch vom Landgericht Cottbus im Jahr 2000 zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt worden, da sie an der Verhängung von Haftstrafen gegen Ausreisewillige beteiligt gewesen war.[54]
Auch der ebenfalls an diesen Urteilen beteiligte Richter Alfred Czerwiatiuk ist seit 2006 in Brandenburg zugelassen. Jahrelange war er wegen der Unrechtsurteile mit internationalem Haftbefehl gesucht worden, hatte sich der Strafverfolgung aber bis zur Verjährung durch Flucht nach Polen entzogen.[55]
Karl Pfannenschwarz und Günter Jäkel
Der frühere Stasi-Offizier Günter Jäkel (l.) neben seinem Anwalt, Karl Pfannenschwarz, der gleichzeitig Bürgermeister des brandenburgischen Ortes Dolgenbrodt ist, am 19. Februar 1997 im Kriminalgericht Berlin-Moabit. (© picture-alliance, Andreas Altwein/dpa)
Interessant ist auch die Vita von Karl Pfannenschwarz. Laut “Berliner Zeitung” war er von der SED in die Bundesrepublik geschickt worden, um dort im Sinne der SED und der DKP als Rechtsanwalt zu wirken. Nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes bezog er ein Haus des ehemaligen DDR-Innenministers Friedrich Dickel in Dolgenbrodt und ließ sich in Brandenburg nieder.[56]
Schon bei dieser unvollständigen Auflistung drängt sich die Frage auf, ob Brandenburg in den 90er-Jahren nicht eine Art Rückzugsgebiet für Juristen mit einschlägiger Vergangenheit war. Zwar ist kaum zu bestreiten, dass die sehr an den liberalen Normen der Altbundesrepublik orientierte höchstrichterliche Rechtsprechung zur Rechtsanwaltsüberprüfung Mitte der 90er-Jahre[57] auch in den anderen Bundesländern zu einer modifizierten Praxis der Überprüfung geführt hat. Ein Blick auf die Zahlen macht jedoch deutlich, wie unterschiedlich sie dennoch in den einzelnen Ländern ausfiel.
Rechtsanwaltsüberprüfungen in den östlichen Bundesländern, Stand: Januar 2012
DDR-Anwälte Überprüfte Belastete Überprüfte
der Gesamtzahl
(in %) Widerrufe*
Berlin 4
Dombek 727 536 (74%)
Busse 727 536 (74%) 4
Senat 528 203
(von 523) 39/28 4 (2)
BStU 939 338 36
Brandenburg 0
Anfrage 1994 14
(von 61) 23/4 0
MJ 2010 327 148 (45%) 61 41/19
BStU 2011 242 123 51
Mecklenburg-Vorpommern 8
Dombek 73 1
Busse 210 1 (1)
MJ 2011 433 (O+W)**
Okt. 1991 210 8 (4)
BStU 2011 917 121 13
Sachsen-Anhalt 303 7
RAK 180 mind. 7 (0)
BStU 2011 1.425 139 10
Thüringen 15
Busse 241 15 (2)
BStU 2011 450 104 23
MJ bis 1993 840 (O+W)** (520+340) 90 11
(von Gesamtzahl) 15 (3)
MJ 2011 140
(bis Ende 1990) 20 14
Sachsen 5
MJ Anfrage 1996 2.674 283 (2.560) 11 der Rückläufe
MJ 2011 2.674 (O+W) 283 (2.277) 11 der Gesamtzahl/
12 der Rückläufe (1)
Berliner Zeitung 5
BStU 2011 1.723 227 13
Gesamt 39
BMJ 1.212 17
Anmerkungen:
*) in Klammern die rechtskräftigen Widerrufe. Es wurde die höchste verifizierbare Zahl von Widerrufen berechnet.
**) Ost und West.
Tabelle nach publizierten Angaben.[58]
Resümee
Ziel der Rechtsanwaltsüberprüfung nach 1990 war es, das Vertrauen der Bevölkerung in die Anwaltschaft und Rechtspflege zu stärken. Dies sollte durch Transparenz, die Nichtzulassung in eindeutigen Fällen und durch eine Art Unbedenklichkeitserklärung – dies ist ja der Sinn einer staatlichen Zulassung – geschehen. Dieses Ziel wurde in Brandenburg verfehlt. Es gibt bis heute keine Transparenz über Verfahren und Ergebnisse und nie eine öffentliche Schlussbilanz der Überprüfungen. Insofern kann man etwas polemisch fragen, ob die Vertrauensbildung nicht in Wirklichkeit umgekehrt durch Intransparenz und Vergessen stattfinden sollte – und immer noch stattfinden soll.
Es wurde in Brandenburg nicht verhindert, dass Juristen mit Verstrickungen in repressive bzw. rechtsstaatsfeindliche Praktiken Anwälte wurden. Wer hier das Überprüfungsverfahren letztlich unbeschadet überstanden hat, kann im juristischen Sinne vielleicht als unbescholten gelten. Wenn aber heute von Anwaltsfunktionären behauptet wird, dass damit erwiesen sei, dass alle Juristen unbelastet seien, wäre dies im historischen und moralischen Sinne eine fragwürdige Schlussfolgerung. Wer gar Menschen, die in der DDR bitteres Unrecht erfahren haben oder gar in Haft saßen, weismachen wollte, dass das staatliche Gütesiegel der Zulassung eine Unbedenklichkeitserklärung sei, würde diese Menschen, die oft strengere Maßstäbe anlegen, täuschen.
Zwar ist keinem der damals Handelnden eine solche Täuschungsabsicht zu unterstellen, aber die Intransparenz in dieser Angelegenheit bis heute wirft doch die Frage auf, ob die Überprüfung nicht in Teilen einen Placebo-Charakter hatte. Das Überprüfungsverfahren in Brandenburg litt unter laufenden Zuständigkeits- und Personalwechseln. Vor allem bei den vormals hauptamtlichen Stasi-Mitarbeitern gab es offenbar Überprüfungsmängel. Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Reihe von Zulassungen überhaupt nicht überprüft wurde.
Die Überprüfungspraxis in Brandenburg wich im Ergebnis stark von der Praxis der anderen ostdeutschen Länder, einschließlich Berlin, ab. Nirgendwo gab es so wenige Anfragen und nachweisbare Beanstandungen wie in Brandenburg. Dass sich gerade in Brandenburg offenbar zahlreiche hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter niedergelassen haben, legt den Schluss nahe, dass die Überprüfungspraxis Brandenburgs eine entsprechende Sogwirkung hatte.
Landesregierungen stellten es zuweilen so dar, als habe man mit einer vorsichtigen Linie von vornherein die spätere restriktive Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichtes antizipiert. Es ist allerdings genau umgekehrt Brandenburg hatte sich schon im Gesetzgebungsverfahren dafür eingesetzt, dass der Zulassungswiderruf an “enge und strenge” Vorsetzungen geknüpft sein und die “Tätigkeit für das MfS als solche” nicht ausreichen solle, eine Zulassung als Anwalt zu versagen.[59] Diese Verwässerung des Überprüfungsrechtes, hat die spätere Rechtsprechung eigentlich erst möglich gemacht – mit der Folge, dass trotz der Überprüfung in Ostdeutschland insgesamt und in Brandenburg im Besonderen nicht wenige Belastete Zugang zum Anwaltsberuf fanden.
Die Mitglieder der Enquete zeigten sich in der Sitzung vom 17. Februar 2012 durchaus interessiert angesichts des vorläufigen Zwischenstandes, alarmiert angesichts der Defizite der Überprüfung und Wissenslücken auf Grund der geringen Kooperationsbereitschaft von Kammer und Regierung. Dadurch ermutigt, brachte die Opposition, unterstützt von der Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur (LAkD), Ulrike Poppe, erneut einen Antrag ein, die Geschichte der Rechtsanwälte und ihrer Überprüfung mit einer Expertise aufzuarbeiten. Doch die rot-rote Mehrheit im Ausschuss lehnte wiederum ab. Man wisse schon genug, es sei zweifelhaft, ob sich ein Sachkundiger für die Expertise finde, lauteten die Argumente.[60]
Die Devise “Deckel drauf” folgt wie so oft in Brandenburg offenbar parteistrategischem Kalkül. Der Generalsekretär der Brandenburgischen SPD, ein ehemaliger Aufbauhelfer aus dem Westen, kommentierte im Februar die günstigen Ergebnisse für die SPD, die die jüngste Sonntagsfrage ergeben hatte: “Wer ständig über die Stasi redet, wird nicht mit anderen Themen wahrgenommen.”[61] Diese schon polemisch anmutende Verkürzung der Aufarbeitungsfrage lässt einen fast vergessen, dass der Ort der Wiederbegründung der ostdeutschen SPD, Schwante, im heutigen Brandenburg liegt.