Dieses Buch ist nur ein kleines Dekmal allen Gefol-terten und Ermordeten in den Todeslagern ( von Omarska und Manjača *) im härtesten Marmor gehauen und in meinem Herzen eingepflanzt.
Rezak Hukanović
V O R W O R T
von
ELLIE WIESEL
Dante hatte kein Recht. In die Hölle führen nicht neun sondern zehn Türe. Rezak Hukanović führt Euch vor die letzte, zehnte, grausamste und grauen-voll herzzerreißende. Und wir wissen wo wir die finden werden.
Nach dem Rabbi Nahmann aus Breslau, dem großen Erzähler und Denker ist die Hölle nicht in der Welt die kommen wird sondern in dieser. Wir sollen nur auf die Ereignisse in Bosnien und Hercegowina während der serbischen Besatzung zu schauen und wir werden uns überzeugen, dass das die Wahrheit ist.
Dazu brauchen wir nur diese schrecklich rührende und in manchen Augen-blicken sehr schwehre Erzählung des Menschen der Zeitzeuge und Zeuge des Erlebten jener Unterdrückten und Vertriebenen in der blitzartigen Tragödie des ehemaligen Jugoslawien war.
Hukanović gibt Zeugnis über Ereignisse voller Hass, Grobheit und Morde. Aber die wird Sie nicht schlafen lassen. Wir müssen zugeben, dass diese Tragödie hätte vermieden werden können. Hätten nur der damalige Deutsche Kanzler Helmut Kohl und sein Außenminister Hans Dietrich Genscher nicht so schnell, zu schnell die Unabhängigkeit Kroatiens diplomatisch anerkannt und hätten sich die Westverbündeten seinem Druck widersetzt, und abgelehnt hätten seine Politik zu folgen. Wenn nur unser Land USA und unsere Regierung Klugheit und Mut gehabt hätte sofort zu intervenieren – wie viele Menschenleben wären gerettet gewesen?
Aber die Großmächte halten sich lieber abseits, auf Distanz. Die begreifen nicht das die Größe einer Nation nicht nur aus ihrer Macht ihrer Waffen besteht, sondern in ihrer Fähigkeit und Bereitschaft zu handeln im Namen von ethischen Prinzipien, ohne die eine Gesellschaft nicht als zivilisiert gelten kann. Es ist besser die Vereinte Nationen nicht zu erwähnen. Gegründet um die Schwachen zu schützen, diese Organisation hat ihre ganze Schwäche und Mangel an Initiative gezeigt, wenn es um Widerstand dem Aggressor egal welcher Art. Wir sollen uns nicht verstellen als ob wir nichts gewusst hätten was vor Ort abging. Wir wussten es! Die Medien kamen ihrer Pflicht gewissenhaft nach uns zu berichten. Wir waren bewusst der Grausamkeiten die dort geschahen: Vergewaltigungen, Folter und Entwürdigungen in Prijedor.
Natürlich war es falsch, anfangs, zu übertreiben beim Vergleich dieser Verb-rechen mit den Verbrechen in Deutschland während des Holocoust. Omarska war kein Auschwitz. Nichts und nirgend kann sich mit Auschwitz vergleich-en. Aber das was in Omarska passierte war ernst genug gewesen um das Gewissen der Welt wachzurütteln um eine Intervention und Internationale Solidarität zu gerecht fertigen.
Deswegen sollte ein Muss sein dieses Buch zu lesen und dafür zu sorgen dass es auch von anderen gelesen wird. Die Entstehung dieses Buches ist Ergebnis eines Albtraums über den großen Hass der Urahnen, des Hasses der ständig anwesend und überzeugend ist. Hier handelt sich um Menschen die sich gut kennen, sie waren Nachbarn die sich auf der Straße grüßten, und dann auf einmal durch patriotischen und ethnische Fanatismus vergiftet zu Todes-feinden wurden.
Wie soll man diesen gnadenlosen Sadismus der Menschen erklären die bis gestern wie Brüder gelebt hatten mit ihren heutigen Opfern?
Woher kam solche Gier Menschen zu verletzen, zu erniedrigen deren einzige “Verbrechen” sein Glauben an Muhamed und nicht an Jesus war?
In dieser Geschichte sind Szenen des Terror die nur Irrsinn schreiben kann. Durst, Hun-ger, bestialische Vergewaltigungen, Erschöppftheit, Dreck, Schläge, Beleidigungen, Schädelbrüche, aufgeschlitzte Bäuche, Abreißen von Genitalien, Vergewaltigung eines Mädels vor “Publikum”…
Diese Soldaten des Radovan Karadžić, ihre niederträchtige Ausdrücke, sie konnten nicht aufhören mit Verletzung der Menschenwürde ihrer Gefangenen. Die Folterungen waren befohlen. Die Väter mussten bei der Tortur an deren Söhnen zusehen, und die Söhne schauten zu wie ihre Väter verbluteten.
Und da waren noch die “die nie wieder kamen”- das sind grauenvolle Geschichten die sich wiederholen beim lesen dieser Seiten.
Gleichzeitig Stoßen wir hei und da auf rührende Momente. Gefangenen die sich gegensei-tig helfen, die Zerschlagene und Verletzte verbinden und sich dazu zwingen die Strbenden zu trösten. Wir lernen sogar den serbischen Soldaten kennen, der seine menschliche Würde behält der seinem alten Freund heimlich Brot und Suppe zureicht. So sieht es in dieser Hölle aus, da ist alles zu finden.
Der Autor schreibt auch über Manjača den Lager in der Nähe von Banja Luka. Ich habe Manjača besucht. Dort lernte ich den Lagerkommandanten Božidar Popović kennen. Ich hatte die Gelegenheit mit den erschöpften Lagerinsassen zu sprechen, die in jener Dunkelheit Worte sprachen die manchmal nicht zu verstehen waren.
Am Ende wurde sie befreit. Ihre Schergen und Leute dieser Lager wurden für Kriegsver-brechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt und verurteilt.
Und während ich diese Zeilen schreibe, scheint das schneller zu gehen, zum Glück gilt der Daytoner Vertrag noch.. Am Ende, kann ich das Bild jenen Menschen vergessen, den Gefangenen, der beim Verla-ssen des Lagers weinend die Worte spricht:
“Gott, Du sollst es ihnen nie vergeben.“
Vorwort für die Englische Ausgabe – Washington 1994.
Elie Wiesel ist ein Schriftsteller, Humanist Träger des Nobel-Friedenpreises 1986. Er ist Autor von 57 Werken einschliesslich das Buch “Die Nacht, geschrieben anhand seiner persönlichen Erfahrungen im zweiten Weltkrieg in Konzentrationslagern Auschwitz, Buna und Buchenwald.
In diesen Lagern war er gefangen gehalten von Januar 1944 bis zur Befreiung von Buchen-wald am 11. April 1945. Seine Häftlingsnummer in KZ Auschwitz war A-7713 auf seinem linken Unterarm eintätowiert, wie bei allen Gefangenen von Auschwitz.
Elie Wiesel wurde von seiner Mutter und Schwester getrennt und sie wurden grauenvoll in Gaskammern umgebracht gleich nach der Ankunft.
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Leseprobe
1….
Einmal hatte einer, der vom Alkohol durchtränkten Wächter, ohne jeglichen Anlass im Vorbeigehen eine MP – Salve in die Garagentür gejagt. Man hörte Schreie und Wehklagen. Später wurde erzählt, dass ein Mann dabei erschossen wurde und vier schwer verletzt. Die vier Verletzten hatte man irgendwohin weggefahren, angeblich ins Krankenhaus, aber niemand hat sie danach mehr gesehen. Später beobachtete Rezak durch die breite Tür seines Schlafraumes die Unglücksraben, als die sie aus der Garage hinausführten.
Die lösten daraus eine Gruppe heraus und führten sie auf den etwa 30 Meter entfernten Rasen vor der Garage. Die befahlen ihnen, sich nackt auszuziehen.
Sie fingen an, sich der Reste ihrer zerrissenen und verdreckten Kleidung zu entledigen und auf einen Haufen zu legen. Um sie herum standen vier Wächter, ziemlich besoffen, das konnte man an ihren Bewegungen und Stottern erkennen, während sie den Herausgelösten Befehle erteilten. Das Entkleiden und das schamhafte Verdecken der Genitalien beobachteten die Wächter mit zynischen und verhöhnenden Blicken.
Ein fast zwei Meter großer Mann, mit langem Bart, lehnte ab sich auszuziehen, stand trotzend und regungslos da, bewegte sich nicht und schwieg. Er stand da, mit gesenktem Kopf und mit verlorenem Blick und stumm verfolgte er das Geschehen um sich herum. Einer der Wächter trat an ihn heran und befahl ihm laut:
„Zieh dich aus, oder willst du, dass ich es tue“.
Er setzte dabei die Öffnung seines Gewehrlaufes dem Mann an den Hals.
Der Mann stand weiter da, ohne eine einzige Bewegung gemacht zu haben, er rührte keinen einzigen Körperteil. Der Trotzende stand wie eine Säule, ohne seinen Blick in die Richtung des Wächters zu richten, der sich seinem Gesicht näherte.
„Der Arme wird sterben, der bringt ihn um!“, sagte jemand hinter Rezaks Rücken, einer von denen, die ihr Schicksal im gleichen Raum mit Rezak teilten.
„Ich kenne diesen Mann. Der ist nie auf eine Ameise getreten. Die werden ihn umbringen vor den Augen Gottes“, sagte jemand hinter Rezaks Rücken.
Rezak drehte sich für einen Augenblick um, und sah in das Gesicht eines von etwa hundert Menschen aus Kozarac, die mit ihm diesen Raum teilten, er drehte sich wieder um und schaute stumm weiter durch den oberen Teil der verdreckten Glastür, die zwischen ihnen und den Wächtern war, und erwartete zu sehen, was die mit diesem Trotzkopf, aber auch mit dem Rest der Gruppe der Einwohner von Kozarac, machen werden, die auch alle das Ganze nur stumm beobachteten.
Der Wächter, der gesehen hatte, dass der Mann in seiner Absicht dem Befehl nicht zu folgen, eisern da stand, drehte sein Gewehr gen Himmel und feuerte einige Kugeln in die Luft.
Wieder passierte nichts. Nur einige wilde Tauben flatterten hoch vom nahe stehenden Baum und verschwanden mit lauten Flügelschlägen.
Der Mann stand trotzend weiter ruhig da und bewegte sich nicht. Und während aus dem Lauf der bläuliche Rauch noch hervor qualmte, schlug der Wächter mit dem Gewehrkolben ihm mitten auf den Kopf, einmal, zweimal … und der arme Mann fiel hin. Danach reichte der Scherge sein Gewehr zum anderen Wächter und griff nach seiner Koppel. Im nächsten Augenblick blitzte in seiner Hand ein Messer auf, ein langes Militärmesser. Er kniete neben dem Häftling nieder, packte ihn mit der anderen Hand bei den Haaren und legte ihm das Messer unter das Kinn. Fluchend trat noch ein zweiter Wächter hinzu. Auch in seiner Hand glänzte ein Messer, die anderen zwei Wächter wichen ein wenig zurück und richteten ihre Gewehrläufe auf die Gruppe, auf jede Bewegung achtend.
Die Zwei mit den Messern rissen diesem Mann die wenigen Fetzen vom Leib , die schon vor Dreck und Nichtwaschen im Zerfall begriffen waren. Das dauerte nur einige wenige Augenblicke. Und als sich die Zwei mit den Messern aufgerichtet hatten, waren Ihre Uniformen blutgetränkt und ein Schrei zerriss die Stille, lang, laut und schmerzerfüllt. Es zerriss einem die Ohren und jagte einem das Grauen durch den Körper.
Rezak hatte in seinem Leben niemals einen schmerzhafteren Schrei gehört und auch kein gruseligeres Bild gesehen. Der Arme richtete sich etwas auf, oder versuchte aufzustehen, während er gleichzeitig unerträgliche Schreie von sich gab. Er war völlig blutüberströmt.
Einer der Wächter ergriff den Wasserschlauch. der aus dem Hydranten lugte und aus dem ein starker Strahl schoss und fing an den Unglücklichen anzustrahlen. Das Wasser vermischte sich mit dem Blut und floss an seinem erschöpften, abgemagerten und nackten Körper hinab, während er sich wie ein verletzter Zyklope bewegte; er hob seine Hände, ließ sie herab, wollte den starken Wasserstrahl abwehren und aus seiner Kehle drang der Widerhall des irrsinnigen Schmerzes.
Und dann sah Rezak, ja, er sah genau das und alle Anderen haben es auch gesehen. Dem Menschen war sein Geschlechtsorgan abgeschnitten worden und eine Hälfte einer Arschbacke rausgetrennt. Rezak erinnerte sich plötzlich an nichts mehr. Die Wahrnehmung des Grauens und des Entsetzens raubte ihm für einen Augenblick die Sinne.